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Plädoyer für die Vampyre und das Trinken von Blut
zugänglich für Besucher
verfasst von Ines Azrael
veröffentlicht am 27. Jun. 2023
Eine der auffälligsten Eigenschaften von Vampyren, welche die Öffentlichkeit auch am häufigsten polarisiert, ist das Trinken von Blut. Dieses stößt entweder auf Abneigung, Unbehagen und häufig sogar auf Ekel oder es übt eine gewisse Faszination und Anziehung auf die Zuhörer bzw. Leser aus. Die wenigsten Vampyre erfahren schlichte Toleranz, wenn sie diese Neigung ihren engsten Vertrauten offenbaren. Welche dieser Reaktionen auf ihr Geständnis folgen wird, ist zudem meistens nicht absehbar. Dies führt dazu, dass sie das Verlangen nach Blut, aus Angst vor der Verurteilung, so sehr im Verborgenen halten, dass sie es nicht einmal ihrem eigenen Lebenspartner erzählen.
Von den Kritikern wird aber häufig nicht bedacht, dass hinter dem Akt des Trinkens auch ein starkes Bedürfnis steht, das meistens seit geraumer Zeit vorhanden ist. Es ist keine fixe Idee oder eine Provokation des persönlichen Umfeldes, um Aufmerksamkeit zu erregen. Viele Menschen wissen gar nicht, welchen langen Weg der Vampyr unter äußerster Diskretion beschritten hat, bis er sich offenbart und verbinden mit dem Zeitpunkt ihres Wissens auch die vermeintlich neue Eigenschaft ihres Freundes oder Verwandten.
Viele Vampyre vergleichen das Verlangen mit einer Sucht, da der Blutdurst für sie ähnlich schwer zu kontrollieren ist und sie einen Ausweg aus der Abhängigkeit suchen. Diese äußert sich bei längerer Abstinenz von Blut sogar in Entzugserscheinungen. Die meisten Symptome, wie Aggressivität, Reizbarkeit, Nervosität, Zittern, Unruhe und Schlafstörungen, weisen auf eine zunehmende psychische Anspannung hin. Gleichzeitig erkennen viele Vampyre zu diesem Zeitpunkt Anzeichen einer Depression wie Konzentrationsschwäche, Kraftlosigkeit, Antriebslosigkeit, ein Gefühl der inneren Leere und Müdigkeit. Auch von körperlichen Auswirkungen wie Migräne, Bauchschmerzen, Auskühlen und Frieren wird berichtet.
Trotz der fieberhaften Suche nach einer Ursache, sind die Indikatoren des Blutdurstes jedoch nicht ausreichend geklärt. Es gibt Vampyre die sich in psychologische Behandlung begeben, weil sie auf eine Begründung oder sogar Heilung hoffen.
Oftmals wird es aber nur als ein autosuggestiv hervorgerufenes Empfinden abgetan, womit allerdings die Ursache des Problems nicht entschlüsselt wäre. Denn eine derartige Verlegenheitsdiagnose erklärt nicht, wieso bei den meisten Vampyren der Blutdurst während oder kurz nach der Pubertät auftritt, ohne dass sie sich vorher näher mit dem Thema befasst hätten. Die starke Affinität für Vampire und der Hang zu entsprechender Literatur und Filmen geht erst mit dem Blutdurst einher. Dabei handelt es sich aber schlicht und ergreifend um ein Herantasten an ihre tatsächlichen Vorlieben und Fantasien.
Eine weitere Erklärung ist ein Ersatzverhalten für die Suche nach Geborgenheit, Wärme und Vertrauen. Die Wahrscheinlichkeit ist gegeben, dass dieses Motiv bei einigen Vampyren eine Rolle spielt, insbesondere in jenen Fällen in denen davon berichten wird, dass es nicht direkt um das Blut geht, sondern um die Verbindung zum Spender. Jedoch gibt es auch genügend Gegenbeispiele, bei denen diese Motivation nicht zutreffen kann. Zum Beispiel basiert das Verhältnis zum Spender in vielen Fällen nur auf einer Basis, die für den Vampyr eine gewisse Sicherheit vor ansteckenden Krankheiten verspricht, aber auf keiner intimen Verbindung gründet. Diese beinhaltet wiederum wenig oder sogar gar keine Geborgenheit.
Eine unter Vampyren sehr verbreitete Erklärung ist ein natürliches Defizit an Lebensenergie, die immer wieder verbraucht und deswegen auch erneuert werden muss. Dabei wird die Ansicht vertreten, dass das Blut ein Träger von Lebensenergie sei, die beim Trinken auf den Vampyr übergeht. Während ein normaler Mensch seine Lebensenergie wieder von allein auffüllen könnte, müsste ein Vampyr sich mit Blut behelfen.
Vermutlich werden noch viele Theorien aufgestellt und einige Zeit vergehen, bis die Problematik des Blutdurstes überhaupt anerkannt, mit der nötigen Ernsthaftigkeit behandelt und eine Antwort auf die Frage der Ursachen gefunden wird, wodurch die Suche nach einer Heilung erfolgversprechender eingeleitet werden kann.
Vampyre trinken durchschnittlich einmal im Monat und meistens nicht mehr als ein gefülltes Schnapsglas. Dass dieses Blut immer von freiwilligen Spendern stammt, sollte sich von selbst verstehen. Es gibt auch einige, die - ob aus Ermangelung eines Spenders oder der Hoffnung den Durst dadurch irgendwann ganz hinter sich lassen zu können - ihren Durst so stark unterdrücken, dass sie mehrere Monate abstinent bleiben. Andere wiederum lindern das Verlangen mit dem Genuss weniger Tropfen und begnügen sich damit den Geschmack auf der Zunge zu spüren, was sie allerdings nicht vor den bereits erwähnten Entzugserscheinungen bewahrt.
Sollten wirklich einmal größere Mengen entnommen werden, orientieren Vampyre sich an den Richtlinien des Roten Kreuzes. Demnach dürfen maximal 500ml und bei der ersten Spende sogar nur 300ml entnommen werden. Zur Sicherheit des Spenders wird aber empfohlen die Grenze von 200ml nicht zu überschreiten. Nachdem der Spender so viel Blut entbehrt hat, sollte er mindestens zwei Monate nicht mehr spenden. Allgemein gilt aber, egal wie viel Blut entnommen wurde, dass zwischen den Spenden immer mindestens drei Tage liegen sollten, damit die Wunden heilen können, selbst wenn nur Lanzetten oder Kanülen zur Blutentnahme verwendet wurden, die im Regelfall relativ kleine Verletzungen hervorrufen. Wenn Rasierklingen zum Einsatz kommen, ist sogar eine Woche als Regenerationszeit für die Schnitte zu empfehlen. Abschließend kann gesagt werden, dass Vampyre sehr umsichtig und fürsorglich mit ihren Spendern umgehen und nach bestem Gewissen handeln, um ihnen nicht zu schaden und die Spende so angenehm wie möglich zu gestalten. Es gibt nicht ohne Grund auch eine überraschend hohe Zahl von Spendern in der Vampyrgesellschaft.
Bei Mengenangaben von 200 bis 500ml läuten vermutlich trotzdem bei einigen Lesern die Alarmglocken, da in diesem Zusammenhang oft davon gesprochen wird, dass Blut nicht verdaut werden kann oder im Magen gerinnt und einen Klumpen bildet. Es ist zwar richtig, dass Blut nicht besonders verträglich ist, aber die Blutgerinnung verursacht dabei keine Probleme, sondern das komplexe Puffersystem im Blut, welches den PH-Wert im Magen ansteigen lässt. Bei geringen Blutmengen ist die Reaktion recht schnell vorüber und das saure Milieu, das normalerweise im Magen herrscht, kann sich wieder einstellen. Ist die Menge zu groß und der Magen braucht zu lange, um den PH-Wert wieder zu senken, wird ein Schutzmechanismus der Verdauung aktiviert und das Blut wird erbrochen. Dieser Mechanismus ist aber bei jeder Person unterschiedlich ausgeprägt und es kommt sogar zu einer gewissen Gewöhnung durch häufigen Blutkonsum. Aufgrund dieser Umstände gibt es keinen Richtwert für eine bekömmliche Blutmenge, denn die Verträglichkeit variiert stark.
Schlussendlich bleibt die Frage zwar offen, warum Vampyre das Verlangen haben Blut zu trinken, doch vielleicht konnten wir mit unserem Beitrag zu diesem Buch einen kleinen Einblick in die Sichtweisen und Praktiken der Vampyrgemeinschaft gewähren. Selbstverständlich nicht ohne die Versicherung, dass wir durchaus kompetent und vorsichtig in diesem Aspekt unseres Lebens agieren. Sollte es einmal zu einem Unfall kommen, ist dies nur auf individuelles Versagen oder die unzureichende Aufklärung zurückzuführen, die durch die gesellschaftlichen Ansichten und die damit einhergehenden Schwierigkeiten der persönlichen Entfaltung und Informationssammlung bewirkt werden.

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